Prüfungen am Fließband – die Elternperspektive

Klassenarbeiten, Noten, Zertifikate – und das jetzt am Fließband nachholen, wenn alle wieder in die Schule kommen? Wozu wird dieser Druck erzeugt?

Gerade in diesen Tagen, an denen nach und nach mehr Schüler und Schülerinnen wieder zurück an die Schule kommen, höre ich so oft, dass sie einen Test nach dem anderen schreiben.

Ich höre an anderen Stellen davon, dass Unterricht in der Mittelstufe ausfällt, da zu wenig Personal da ist, denn das vorhandene Personal wird zur Beaufsichtigung der Prüfungen benötigt. Neben dem hier sichtbaren Personalmangel wird deutlich wie vielen dieser Leistungsgedanke so richtig in Fleisch und Blut übergegangen ist. Beziehungen kommen an zweiter Stelle. Dabei müsste es doch genau anders herum sein.

Was passiert hier?

Wir bedienen ein altes System, machen mit Druck was vermeintlich gemacht werden muss und lassen uns von der Fülle des Lehrplans und dem alten Anspruch, so und so viele Tests und Prüfungen machen zu müssen, in die Ecke drängen.

Alter Anspruch? Irgendwie ja, denn in vielen Unternehmen kommt mittlerweile an, dass es um die Fähigkeiten wie Empathie, Kreativität und gute Formen der Zusammenarbeit geht. Zertifikate werden im Grunde immer unwichtiger, denn gelernt wird am besten im Prozess – oft nach dem Motto „einfach machen“.

Wie wäre es dann, wenn Schule diese Tests „einfach mal nicht macht“? 

Noten und Prüfungen sind Druck von außen und zeigen nur einen Blick auf ein Endergebnis. Wie der junge Mensch dahin kommt, wird meist nicht betrachtet. Aber gerade darauf kommt es doch an!

Die wichtigsten Kompetenzen unserer Zeit (Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, kritisches Denken, Zusammenarbeit) sind allesamt Bereiche, die kaum mit Noten messbar sind und noch weniger im derzeitigen Prüfungssystem abgebildet sind.

Ich erlebe meine Erstklässler, die bei uns im Berliner System erst ab der 3. Klasse Noten bekommen, in ihrem ersten Schuljahr sehr neugierig. Sie fragen, um zu verstehen, was genau sie falsch gemacht haben. Hören mit großen Augen zu. Ich habe Sorge, dass dieses „Fragen“ nach der Noteneinführung aufhört, da sie dann nur noch auf das Endergebnis schauen und den Weg im Lernen, das „Wie“ nicht mehr im Blick haben.

Elternperspektiven

Da ich hier aus der Elternperspektive schreibe, gibt es für mich an dieser Stelle noch einen wichtigen Aspekt. Es reicht nicht aus über Forderungen an „die Schule“ oder „die Lehrer“ zu sprechen, sondern es braucht auch die Eltern, die positiv mitgestalten. Und am Ende braucht es die Gesellschaft in Summe.

Was ich damit meine? Wenige Eltern können sich vorstellen, dass ihre Kinder über viele Jahre keine Noten erhalten. „Man muss doch wissen wie das Kind in der Schule unterwegs ist.“ Dass es aber, um zu erfahren wie das Kind in der Schule lernt, ganz andere Möglichkeiten gibt, das sehen auch viele Eltern nicht. Wir sind alle in diesem System aufgewachsen und diese Prägung bringen wir mit. Was wir kennen ist uns vertraut…

Der Weg – wenn wir ihn denn wirklich gehen wollen – heißt also auf vielen Ebenen Verständnis und Offenheit zu üben, es einfach mal auszuprobieren.

In Finnland, dem Land, das an der Spitze der Leistungsvergleiche steht, gibt es erst ab 16 Jahren verbindliche Tests. Scheinbar können Schulen ohne Noten doch gute Lernerfahrungen fördern.

Her mit dem guten Menschenverstand!

Es ist also eine Aufgabe von uns allen mit gutem Menschenverstand auf dieses System zu schauen, mit Vernunft die Kinder Kinder sein zu lassen. Dazu zählt sicher nicht jetzt mit Druck die wertvolle Präsenzzeit in der Schule mit Prüfungen am Fließband zu verbringen.

In meinen Augen: Das Fundament in der Schule sind die BEZIEHUNGEN und keine Belohnungs- oder Bestrafungslogiken, die wir seit dem Industriezeitalter anwenden.

 

Hintergrund: Unsere Autorin Stefanie Klicks hat zwei Kids in der 1. Klasse und teilt mit uns ihre Perspektive aus der Elternsicht. Wenn ihr mehr zu ihr erfahren wollt, schaut mal hier: http://www.klicks.it

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